Intimate Interviews Part II

Photo: Sylvie Xing Chen

Letztes Jahr hatten wir das Vergnügen, bei unserem Aufenthalt im österreichischen Hallein anlässlich von Schmiede19: better mit lieben und talentierten Menschen Interviews zu führen über alles, was uns auch bei unserer Arbeit beschäftigt. Dafür haben wir unsere Gesprächspartn’erinnen zunächst mit einer Bodyworksession ihrer Wahl gepampered, damit wir so gut durchblutet miteinander ins Gespräch kommen konnten.

Viele Fragen hatten wir vorbereitet und sie tauchen immer wieder auf, andere sind spontan entstanden. So fingen die Gespräche meist mit einer freien Assoziation zum Thema „Sex“ an — einfach sagen, was einem als erstes in den Sinn kommt, ohne nachzudenken. Und gegen Ende ging es meist darum, welche Workshops zu kreativer Intimität sie sich konkret wünschen würden. Was zwischen uns dabei entstand und in Worte gefasst wurde, sind für mich Goldstücke!

Hier folgt das erste transkribierte Interview!

Penis, Blasen, Schleim, Vertrauen, Kindheit, Blockaden, Zwänge, Freiheit, Beziehungen, Gesellschaft, Geborgenheit, ein Schatten, ein Freund, ein Vertrauter, schwarz, glitschig, Lack, Schuhe, Scham, ausprobieren, dieses Gefühl auf den Fingern, loslassen, Wellen, Kraft, Fleisch, Gefühle, Augen schließen, Klappe halten, kein Blümchensex — also Bümchensex, Romantik und Provokation, Gegenbewegung, Großeltern, Eltern beim Sex von hinten, Störung, Feigwarzen, Aids, Kondome, feste Partnerschaft, es ist alles – das hat nicht nur mit Sex zu tun was ich hier so erzähle, Selbstbefriedigung, Sexentzug, Sexbefreiung, also Befreiung von Sex und Tranformation durch Entzug, Umdenken, Pubertät, Kindheit, nochmal von vorne anfangen, zweite Chance.”

… diese Blüten, Pflanzen… wenn man ein schönes Biologiebuch erwischt, wo so Bilder sind von Pflanzen und den Stempeln und alldem, das ist dann schon wie ein Porno, ziemlich geil; und die Natur generell.

Hast du einen libidinösen Zugang zu deiner künstlerisch-handwerklichen Arbeit?

Bei meiner Arbeit ist das Sexuelle eher Stressbewältigung. Da muss ich mich selbst befrieidgen, aber das ist eher was Aggressives, das ist nichts was ich jetzt aus Leidenschaft tun will; da hab ich nen Druck gehabt und der muss ganz schnell weg.

Das eine ist der Akt, der funktioniert schon so an sich, da brauche ich am Ende kein Produkt, da habe ich auf dem Weg ’ne schöne Zeit gehabt mit diesen Wellen und Frequenzen. Das andere, bei meiner Arbeit, da muss ich den Weg erstmal gehen um zu einem Ergebnis zu kommen, das mich erst wirklich befriedigt. Da spring ich ständig über meinen Schatten um das zu kriegen. Weil die Idee – das macht mir keiner. Das muss ich machen, das Ding, das ich erschaffe. So wie es rauskommt und dann akzeptier ich die Kunst auch gern so wie sie kommt. Ich bin das Werkzeug und realisier das. Ich find es faszinierend, dass ich das dann gemacht hab. Das ist wie so ein Freund in einem, der so Tage und Wochen in einem rumgeistert im Gehirn. Das ist irgendwie was Florierendes, was aus dem Nichts erschaffen wurde. Mit dem Produkt am Ende kann ich mir beweisen, dass das keine Lüge ist, was ich im Kopf hab. Das macht ja sont keiner. Man hat früher immer gedacht: Es gbt ja schon alles auf der Welt – aber das stimmt nicht! Und das tut einen so hemmen; wenn man auch sieht was die anderen alle machen. Das ist völlig egal! Weil: ich hab mein Licht und das baut die Welt um mich herum. Dann realisiere ich etwas und das Ergebnis ist das befriedigende. Der Weg aber ist Arbeit. Da muss ich durch. Das ist dann keine sexuelle Erregung, das ist Aggression, die ich mit Sexualität kompensiere und die aber auch verknüpft ist mit Sexualität.
Das geht noch weiter, dass ich immer so brutale Geschichten gelesen habe von Serienmördern und dann musste ich mich immer selbst befriedigen, das habe ich teilweise auch lustig gefunden und hab’s drauf angelegt, obwohl ich gar nicht wollte… das ist ein bissl komisch angesetzt bei mir. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass Sexualität und Aggression schon an sich zusammengehören…

Wenn du jetzt wie hier auf einem Kunstfestival bist – sind das für dich auch sexuelle Räume oder eher nicht?

Unterschwellig ja. Wenn ich bei mir bin, in mir, in meiner Mitte ruhe, dann ist generell die Sexualität irgendwo da, weil: die Wallung und das Blut und die Wärme und die Treue sich selbst gegenüber hat auch was mit Sex zu tun. Also wenn ich das schaffe hier – und das geht eigentlich recht gut da in meinen Kosmos einzusteigen, dann kann das auch sexuell sein, der Raum. Aber das passiert auch bei Gesprächen mit Leuten, dass sie da jetzt wieder einen treffen, ’nen Nerv, wo ich sag: „Hpfgh! Du bist ja wohl von Gott geschickt!“ Gestern zum Beispiel die Gespräche, das ist alles so… ich mein, es ist Vollmond, das wissen auch alle hier! Ja, das geht durch und durch. Obwohl, da drüben jetzt gerade ist es zum Beispiel gar nicht sexuell für mich, weil da so viele Leute sind und das turnt mich voll ab. Ich muss dann weggehen um mich sexuell zu entfalten oder ich brauch jemanden, mit dem ich unter einer Glocke bin und dann sind mir die anderen auch egal. Aber ich brauch so nen Fixpunkt, ich bin schon eher ein Dialogmensch.

Was möchtest du in deinem Liebesleben erleben?

Ich würde gerne erleben, dass das was ich gebe auch gern genommen wird. Wenn ich was gebe, dass es geschätzt wird, dass ich das gebe. Und wenn ich es nicht geben will, es auch nicht geben muss.
Ich hab schon gern diese Schürze-rum-und-„Ich-bediene-dich“-Rolle. Doch wenn das vorausgesetzt wird, mach ich’s total ungern. Aber wenn ich’s von mir aus mache und es gut meine, dass die anderen das dann auch schätzen. Auch wenn es nur um ein Glas Wasser geht.

Außerdem: Ich hab total gern Sex wenn man da zwischendurch redet. Und nicht nur dieses: Wir machen jetzt Sex und sind ganz ernst bei der Sache. Wir können auch zwischendruch mal aus dem Fenster schauen und kurz wieder nix machen. Oder kurz nur mal antipsen, aber da muss dann nicht groß das Geplänkel drumrum. Es gibt ja verschiedene Arten. Es gibt das schnelle „Jetzt ma hier kurz“… man muss auch gar nicht unbedingt zum Höhepunkt kommen, das kommt ja voll drauf an, vielleicht klingelt ’n Telefon, ist ja wurscht!
Ich lach auch gern dabei.

Woher kommt deine Leichtigkeit und Offenheit damit?

Vielleicht ist es, dass all das was man mir sagt und was einem beigebracht wird – Erziehung, Gesellschaft – das stelle ich in Frage und dreh es um. Und wenn es heißt: „Darüber spricht man nicht“, dann sprech ich drüber. Kann sein, dass das daher kommt.

Stößt du damit anderen vor den Kopf manchmal oder ist das eher erleichternd für andere?

Alles. Ich bin dann neugierig und will wissen, wie die Leute reagieren. Manchmal ist das auch ganz plump. Gestern erst, da bin ich mit einem Typen und einer Frau durch die Hallen gelaufen und mein Nippel war so fest und es hat so gekitzelt und dann hab ich das gesagt und der Typ hat so gefeixt und ich dann auch, aber das Mädel fand das gar nicht lustig. Bei Männern funktioniert das eigentlich ganz gut, aber dann hab ich den Gedanken im Hinterkopf: „Sag ich das bloß, damit ich bei Männern gut ankomm‘? Aber ich weiß nicht ob das stimmt…

 
Beate Absalon

Beate Absalon erforscht als Kulturwissenschaftlerin “andere Zustände”, wie Gebären, Trauerarbeit, Hysterie, Schlaf, radical happiness & collective (kill-)joy oder sadomasochistische Praktiken. Nachdem sie zunächst untersuchte, wie Seile in aktive Passivität versetzen können – durch Bondage, aber auch im Marionettenspiel oder politischen Aktivismus –, promoviert sie derzeit über erfinderische Formen der Sexualbildung. Ihr theoretisches Interesse speist sich aus der Praxis, da sie sich und andere gerne in ekstatische Zustände versetzt – am liebsten undogmatisch: Flogging mit Lederpeitsche oder einem Bündel taufrischer Minze, Halten mit Seil oder Umarmung, Spielen mit aggressivem Kuscheln oder liebevoller Erniedrigung, Fließenlassen von Wörtern oder Spucke. Zu tun, was aus der Norm und dem Alltäglichen fällt, kann Angst machen und gleichzeitig ungeheuer lustvoll sein. Workshops und Sessions gestaltet Beata als Erfahrungsräume für Grenzwanderungen, auf denen Grenzen überschritten und gefunden werden, vage und wagemutige Phantasien gemeinsam erkundet, ein eigener Stil entstehen darf.

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Selfhelp Zine für die Zeit NACH einem aufregendem Workshop

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Video-Interview des Goethe-Instituts China mit Beata zu “Pornografie & Gesellschaft”